Introjektion / Introjekte

Was versteht man unter Introjektion in der Psychologie?

Intro­jek­tion ist ein zen­tra­ler Begriff in der Psy­cho­lo­gie, der beschreibt, wie Indi­vi­duen unbe­wusst Werte, Ein­stel­lun­gen und Ver­hal­tens­wei­sen von ande­ren Per­so­nen oder ihrer Kul­tur über­neh­men und in ihre eigene Per­sön­lich­keit inte­grie­ren. Die­ser Pro­zess ist vor allem in der psy­cho­ana­ly­ti­schen Theo­rie bedeut­sam, die maß­geb­lich von Sig­mund Freud geprägt wurde. 

Intro­jek­tion ermög­licht es, äußere Rea­li­tä­ten in das innere psy­cho­lo­gi­sche Erle­ben zu über­füh­ren, wodurch Nor­men und Moral­vor­stel­lun­gen Teil des Selbst wer­den. Die­ser Mecha­nis­mus der Iden­ti­fi­ka­tion trägt zur Bil­dung des Über-Ichs bei und ist eine Form der Inter­na­li­sie­rung, bei der extern wahr­ge­nom­mene Objekte und deren Qua­li­tä­ten zu einem fes­ten Bestand­teil des inne­ren Erle­bens gemacht werden.

Wie entstehen Introjekte und welche Rolle spielen sie in unserer Psyche?

Intro­jekte ent­ste­hen wäh­rend der Sozia­li­sa­tion und der per­sön­li­chen Ent­wick­lung eines Indi­vi­du­ums durch die Auf­nahme und Inter­na­li­sie­rung ver­schie­de­ner Aspekte der sozia­len Umge­bung. Diese kön­nen von Ver­hal­tens­nor­men bis hin zu kom­ple­xen Moral­auf­fas­sun­gen rei­chen. Sie sind maß­geb­lich an der Gestal­tung des Selbst­bil­des und der zwi­schen­mensch­li­chen Bezie­hun­gen betei­ligt. Sie kön­nen unter­stüt­zend wir­ken, aber auch Kon­flikte aus­lö­sen, wenn sie im Wider­spruch zu per­sön­li­chen Wün­schen oder Erfah­run­gen stehen. 

Der Pro­zess der Intro­jek­tion, eine Ent­wick­lung aus der ora­len Phase der frü­hen Kind­heit, beinhal­tet das psy­chi­sche Auf­neh­men von Objekt­qua­li­tä­ten in einer Art, die der kör­per­li­chen Ein­ver­lei­bung ähnelt. Dies setzt ein rei­fe­res Ich vor­aus, im Gegen­satz zur Inkor­po­ra­tion, bei der noch keine klare Tren­nung zwi­schen Sub­jekt und Objekt besteht. Intro­jek­tion wird in der Psy­cho­ana­lyse als ein Vor­gang betrach­tet, bei dem äußere Rea­li­tä­ten in die innere psy­chi­sche Welt inte­griert wer­den, wodurch sich die Per­sön­lich­keit weiterentwickelt.

In welchem Zusammenhang steht Introjektion mit psychodynamischer Psychotherapie?

In der psy­cho­dy­na­mi­schen Psy­cho­the­ra­pie spielt der Pro­zess der Intro­jek­tion eine zen­trale Rolle, da er dazu bei­trägt, unbe­wusste Kon­flikte sowie die Dyna­mi­ken inner­halb der Per­sön­lich­keits­struk­tur eines Pati­en­ten zu ent­schlüs­seln. The­ra­peu­ten ver­wen­den das Ver­ständ­nis von Intro­jek­tion, um zu erken­nen, wie Pati­en­ten bestimmte Ver­hal­tens­wei­sen, Nor­men oder Werte, die oft von signi­fi­kan­ten ande­ren über­nom­men wur­den, ver­in­ner­licht haben. Diese Erkennt­nisse hel­fen dabei, das schäd­li­che oder schmerz­hafte Intro­jekt zu iden­ti­fi­zie­ren, das das Selbst­wert­ge­fühl und die psy­chi­sche Gesund­heit beein­träch­ti­gen kann. 

Durch das Bear­bei­ten und Modi­fi­zie­ren des Intro­jekts kön­nen Pati­en­ten frü­here Iden­ti­fi­ka­tio­nen über­ar­bei­ten, was ihnen ermög­licht, sich authen­ti­scher aus­zu­drü­cken und ihre emo­tio­na­len Reak­tio­nen bes­ser zu steu­ern. Diese the­ra­peu­ti­sche Arbeit stärkt nicht nur das Selbst­wert­ge­fühl, son­dern för­dert auch eine tief­grei­fende per­sön­li­che Ent­wick­lung und psy­chi­sche Stabilisierung.

Wie kann man sich der eigenen Introjekte bewusst werden?

Sich der eige­nen Intro­jekte bewusst zu wer­den ist ein tief­grei­fen­der Pro­zess, der oft durch gezielte Selbst­re­fle­xion und psy­cho­the­ra­peu­ti­sche Unter­stüt­zung erreicht wird. Tech­ni­ken wie freie Asso­zia­tion oder Traum­ana­lyse bie­ten Ein­bli­cke in die ver­in­ner­lich­ten Aspekte und deren Ein­fluss auf das Den­ken, Füh­len und Han­deln einer Per­son. In der The­ra­pie kön­nen Über­tra­gung und Gegen­über­tra­gung ana­ly­siert wer­den, um eine ver­bor­gene Ver­in­ner­li­chung die­ser Anteile zu enthüllen. 

Ein bedeu­ten­der Aspekt dabei ist die Erken­nung der trau­ma­ti­schen Objekt­be­zie­hung, die durch einen stän­di­gen Wech­sel zwi­schen Pro­jek­tion und Intro­jek­tion cha­rak­te­ri­siert ist. Hier­bei pro­ji­ziert der Aggres­sor nicht nur nega­tive, son­dern ent­zieht dem Opfer auch posi­tive innere Anteile. Die Her­aus­for­de­rung liegt darin, diese Intro­jekte nicht nur zu iden­ti­fi­zie­ren, son­dern auch zu ent­schei­den, ob sie ver­in­ner­licht, modi­fi­ziert oder ver­wor­fen wer­den sollen.

Welchen Unterschied gibt es zwischen Introjektion und Projektion?

Intro­jek­tion und Pro­jek­tion sind bei­des psy­cho­lo­gi­sche Mecha­nis­men, die unter­schied­lich wir­ken. Intro­jek­tion bezieht sich dar­auf, Aspekte der äuße­ren Welt in das eigene Selbst auf­zu­neh­men und zu ver­in­ner­li­chen. Dies geschieht häu­fig im Rah­men der Sozia­li­sa­tion, bei der Werte und Nor­men der Gesell­schaft als eigene über­nom­men wer­den. Pro­jek­tion hin­ge­gen bedeu­tet, dass eigene, oft uner­wünschte oder nicht akzep­tierte Gefühle, Wün­sche und Gedan­ken auf andere Per­so­nen oder Objekte pro­ji­ziert wer­den, um interne Kon­flikte zu ver­mei­den oder zu mildern.

In der Psy­cho­ana­lyse wird Intro­jek­tion oft als der umge­kehrte Pro­zess der Pro­jek­tion ange­se­hen, wobei äußere Ein­flüsse, fremde Anschau­un­gen und Motive ins eigene Ich inte­griert wer­den. Ein wich­ti­ger Unter­schied besteht darin, dass bei der Intro­jek­tion der betrof­fene Mensch pas­siv bleibt und die exter­nen Inhalte oft ohne kri­ti­sche Prü­fung über­nimmt. Dies kann an einer redu­zier­ten Bewusst­heit an der Kon­takt­grenze lie­gen, was zu einer unre­flek­tier­ten Annahme die­ser Inhalte führt. Die polare Gegen­sätz­lich­keit die­ser Mecha­nis­men spie­gelt sich in ihrer jewei­li­gen Funk­tion und den Aus­wir­kun­gen auf die Per­sön­lich­keit und das inter­per­so­nelle Ver­hal­ten wider.

Wie werden Introjekte in der Gestalttherapie behandelt?

In der Gestalt­the­ra­pie wird die Behand­lung von Intro­jek­ten oft durch krea­tive und expe­ri­men­telle Ansätze wie Rol­len­spiele oder den Ein­satz eines lee­ren Stuhls rea­li­siert. Diese Metho­den hel­fen den Kli­en­ten, sich aktiv mit ihren Intro­jek­ten aus­ein­an­der­zu­set­zen, sie zu ver­ba­li­sie­ren und zu ent­schei­den, ob sie diese bei­be­hal­ten oder ver­än­dern wol­len. Der Pro­zess wird mit der Nah­rungs­auf­nahme und Ver­dau­ung ver­gli­chen, wobei Intro­jekte als unver­daute, unas­si­mi­lierte Über­nah­men von Nor­men und Wer­ten betrach­tet wer­den. Diese sind oft wie unzer­kaute Lebens­mit­tel, die geschluckt wer­den, um mög­lichst wenig Kon­takt damit zu haben, was zu Unbe­ha­gen führt, da die Ver­dau­ung, also die Assi­mi­la­tion und krea­tive Anpas­sung, durch die Kon­takt­hem­mung erschwert wird. Die Gestalt­the­ra­pie zielt dar­auf ab, die bewusste Ver­ar­bei­tung des Täterin­tro­jekts zu för­dern und so die Selbst­re­gu­la­tion und per­sön­li­che Ent­wick­lung zu unterstützen.

Können Introjekte in symbolischer Form dargestellt werden und wie?

Intro­jekte kön­nen tat­säch­lich auf viel­fäl­tige Weise sym­bo­lisch dar­ge­stellt wer­den. Diese Dar­stel­lun­gen fin­den sich häu­fig in krea­ti­ven Aus­drucks­for­men wie der Kunst­the­ra­pie, wo Zeich­nun­gen oder Skulp­tu­ren ver­wen­det wer­den, um interne psy­chi­sche Zustände und Bezie­hungs­aspekte zu visua­li­sie­ren. Auch in Träu­men kön­nen sie als meta­pho­ri­sche Bil­der erschei­nen, was the­ra­peu­tisch genutzt wird, um tie­fere emo­tio­nale und psy­cho­lo­gi­sche Inhalte zu erfor­schen und zu bear­bei­ten. Der Pro­zess der Intro­jek­tion, also das Auf­neh­men und Ver­in­ner­li­chen von Nor­men und Wer­ten wäh­rend der Sozia­li­sa­tion, kann so durch krea­tive und sym­bo­li­sche Mit­tel greif­bar gemacht wer­den. Dies för­dert die per­sön­li­che Ent­wick­lung und kann hel­fen, neu­ro­ti­sche Mus­ter zu erken­nen und zu überwinden.

Welche Auswirkungen haben nicht aufgelöste Introjekte auf das tägliche Leben und Beziehungen?

Nicht auf­ge­löste Intro­jekte kön­nen tief­grei­fende Aus­wir­kun­gen auf das täg­li­che Leben und zwi­schen­mensch­li­che Bin­dun­gen haben. Sie mani­fes­tie­ren sich oft als innere Kon­flikte, Ängste und Schuld­ge­fühle, die die Selbst­wahr­neh­mung und die Wahr­neh­mung ande­rer Per­so­nen ver­zer­ren kön­nen. In Bezie­hun­gen kön­nen sol­che unbe­wusst ver­in­ner­lich­ten Erwar­tun­gen und Nor­men zu Miss­ver­ständ­nis­sen und Kon­flik­ten füh­ren und emo­tio­na­len Abstand schaf­fen. Intro­jekte kön­nen die Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung beein­träch­ti­gen, indem sie als fremde Anschau­un­gen in das Selbst inte­griert wer­den, die oft nicht bewusst hin­ter­fragt werden. 

Dies kann auch die Iden­ti­fi­ka­tion mit einem Aggres­sor umfas­sen, ein Mecha­nis­mus, der in der Tie­fen­psy­cho­lo­gie als Abwehr zur Bewäl­ti­gung von Angst und Trauma gese­hen wird. Die Arbeit an die­sen unge­lös­ten Intro­jek­ten ist wesent­lich für per­sön­li­ches Wachs­tum und die Ent­wick­lung gesün­de­rer Bezie­hun­gen. Durch das Erken­nen und Aus­ein­an­der­set­zen mit die­sen Aspek­ten kann man ein authen­ti­sche­res Selbst för­dern und tief ver­wur­zelte Kon­flikte auflösen.